4.3 Die Kamera

Die Kamerahandlung als Erzählinstanz

Stand bisher die Struktur der Handlung im Zentrum der Aufmerksamkeit, widmet sich das letzte Kapitel dieser Arbeit der Frage nach der Vermittlung des Inhalts, die beim Medium Film, wie zu Anfang ausführlich erläutert, über die Kamera beziehungsweise die Kamerahandlung geschieht.

Die Kamera als Vermittlerin zwischen Agierenden und Rezipienten bestimmt nicht nur, was der Zuschauer zu sehen bekommt, sie legt gleichzeitig fest, wie die gesehene Handlung zu verstehen ist. Sie kommentiert, färbt oder enthält uns Handlung vor. Es würde daher aus Analogie zur Literatur naheliegen, der Kamera den Erzählerstatus zuzuerkennen. Man ist sich allerdings inzwischen einig, dass dieses Modell nicht genügen kann. In einer filmischen Erzählung lässt sich die Vermittlung der Handlung nur selten auf einen fassbaren Erzähler(1) zurückverfolgen. Doch auch anderen Modellen gelingt es nicht, die Funktionen und Möglichkeiten der Kamerahandlung gesamthaft zu erfassen. Die Vorstellung etwa, die Kamera sei das Auge des Zuschauers, aus der dann das Modell des «unsichtbaren Beobachters» hervorging, vermag die filmische Narration ebensowenig vollumfänglich zu beschreiben. Der unsichtbare Beobachter, der sich – anstelle des Zuschauers – an den idealen Ort begibt, um die Handlung verfolgen zu können, kann nicht angeführt werden um etwa eine split-screen Einstellung oder eine «unmögliche» Kameraposition(2) zu erklären.

David Bordwell kommt deshalb zum Schluss, dass das Erzählermodell wenig zum Verständnis des filmischen Erzählens beiträgt:

(…) must we go beyond the process of narration to locate an entity which is its source? Some theorists believe so. Diegetic theories often identify the narrator as the enunciator of the film’s ’speaker‘, but we have already seen that the analogy to speech fails because of the weak correspondences between verbal deixis and the techniques of cinema. Other theorists suggest that the source of narration is akin to Wayne Booth’s ‚implied author‘. (…) As for the implied author, this construct adds nothing to our understanding of filmic narration. No trait we could assign to an implied author of a film could not more simply be ascribed to the narration itself (…).(3)

Bordwell’s Ansicht scheint zwar letztlich nicht viel mehr als ein terminologischer Kunstgriff zu sein, sein Ansatz verspricht aber dennoch mehr, erlaubt er doch, sich den tatsächlichen filmischen Äusserungen zuzuwenden, ohne dass vorgängig die Frage nach der Existenz und Definition eines Erzählers im Film gelöst werden muss.(4)

Bevor im weiteren ausgewählte kinematographische und filmische Parameter auf ihre Funktion in der Erzählung untersucht werden, soll hier noch kurz als Voraussetzung Bordwells allgemeine Charakterisierung des klassischen Erzählstils («klassisch» steht wiederum als Synonym für das Hollywoodkino), wiedergegeben werden. Die generelle Erzählhaltung ermittelt Bordwell anhand von drei Fragen:

How aware is the narration of addressing the audience? How much does the narration know? How willing is the narration to tell us what it knows?(5)

Die Untersuchung dieser Fragen an Bordwells Korpus zeigte dabei folgende Tendenzen:

In the classical film, the narration is omniscient, but it lets that omniscience come forward more at some points than at others. These fluctuations are systematic. In the opening passages of the film, the narration is moderately self-conscious and overtly suppressive. As the film proceeds, the narration becomes less self-conscious and more communicative.(6)

Als Grundlage für die Untersuchung der Indiana Jones-Trilogie kann man deshalb davon ausgehen, dass die Erzählinstanz, die grundsätzlich omniszient und ubiquitär ist, sich nur zu Beginn zu erkennen gibt, sich dann aber selbst möglichst zurücknimmt (man spricht auch vom Konzept der «unspürbaren Kamera»). Die Vermittlung von Informationen an den Zuschauer wird anfänglich zurückhaltend gehandhabt, im Verlauf des Films ändert sich diese Einstellung zugunsten einer offeneren Informationsvermittlung.(7)

Zeitperspektivische Parameter

Einstellungsdauer

Bei der Indiana Jones-Trilogie zeigt die für sich allein wenig aussagekräftige Zahl der durchschnittlichen Einstellungsdauer des gesamten Films schon einen deutlichen Unterschied zwischen Raiders und Crusade einerseits und Temple andererseits. Mit einer durchschnittlichen Einstellungsdauer von 3,4 Sekunden ist die Schnittfrequenz von Temple signifikant höher als diejenige von Raiders (4,4 Sekunden) oder Crusade (4,6 Sekunden). Im Vergleich lässt sich also vermuten, dass Temple der temporeichste Film der Trilogie ist.(9)

Aufschlussreicher für die Analyse ist die Untersuchung der durchschnittlichen Einstellungsdauer in den einzelnen Sequenzen, wie sie die Tabelle 5 darstellt. Obige Vermutung über Actionreichtum in Temple lässt sich hier weiter bestätigen. Zeigt schon der optische Eindruck, dass Temple vor allem gegen das Finale hin kaum mehr längere Einstellungen benutzt, bestätigen das die Zahlen: die Anzahl der Sequenzen mit einer durchschnittlichen Einstellungsdauer von unter fünf Sekunden macht bei Temple mehr als die Hälfte (54 Prozent) aus. Bei Raiders beträgt der Anteil der Sequenzen mit hoher Schnittfrequenz noch 40 Prozent, in Crusade sogar nur noch 31 Prozent.

Tabelle 5 (neue Version 2021, Originalversion im Bild verlinkt)

Als aufschlussreich erweisen sich die Grafiken aber in erster Linie im Hinblick auf die Analyse der detaillierteren Struktur der Filme. Versteht man die durchschnittliche Einstellungsdauer als Hinweis auf den Spannungsgehalt einer Sequenz, so ist deutlich ein Wechsel zwischen temporeichen Sequenzen und Ruhephasen zu erkennen. Nach einer längeren Expositionssequenz sinkt im Prolog die Einstellungsdauer in den Sequenzen, wo sich Indy des sekundären Schatzes bemächtigt.(10) Nach diesem spannungsvollen Auftakt weist die folgende Exposition generell hohe Einstellungsdauern auf, was auf ihre Funktion als Erholungsphase verweist.

Dasselbe Muster im regelmässigen Ablauf von Spannungs- und Ruhephasen findet sich im weiteren Verlauf der Filme. Am markantesten zeigt sich dieses Schema bei Raiders: Die dritte Handlungseinheit beginnt mit dem Trinkwettbewerb in Marions Kneipe, die eine lange, rund zwei Minuten dauernde Plansequenz enthält.(11) Der
Kampf zwischen Indy und Marion gegen Dietrich und seine Helfer wurde in Anlehnung an die Western-Tradition als Saloonschlägerei mit schnellen Einstellungswechseln gefilmt. Auf die Actionsequenz folgt die Reise(12) und die Exposition des neuen Schauplatzes in Ägypten wiederum mit längeren Einstellungen. In Seq. 10 erreicht die Handlung mit der Entführung und dem vermeintlichen Tod Marions einen neuerlichen Höhepunkt.

Von Seq. 11, einer Erholungsphase, in der die Seelenverwandschaft und gleichzeitige Feindschaft zwischen Belloq und Indy ausgeführt wird, bis zum Abschluss des ersten Höhepunkts, der in der Lastwagenverfolgungsjagd gipfelt (Seq. 17), nimmt die durchschnittliche Einstellungsdauer kontinuierlich ab. Das gleiche Muster der Hinführung auf einen Höhepunkt weisen die beiden folgenden Handlungseinheiten auf.(13) Der Epilog schliesslich löst die Spannung des Höhepunkts im Finale auf und lässt den Film geruhsam ausklingen.

Wie sich aus den Grafiken ersehen lässt, sind Temple und Crusade nach dem selben Muster aufgebaut. Temple zeigt die Struktur nicht so exemplarisch wie Raiders. Die Handlungseinheiten nach der Exposition weisen eine generell niedrige durchschnittliche Einstellungsdauer auf, Erholungsphasen scheinen hier praktisch vollständig zu fehlen. Tatsächlich lässt sich auch vom Geschehen her keine ganze Sequenz als Ruhephase erkennen, dennoch gibt es längere, vor allem expositorische Szenen, die auf einen Höhepunkt folgen. Diese Szenen genügen offensichtlich nicht, dem Zuschauer ausreichend Erholung zwischen den rasanten Sequenzen zu bieten. Der in der  Rezeption oft geäusserte Eindruck, dass Temple einer filmischen Achterbahnfahrt gleiche, bestätigt sich durch die Grafik. Es bleiben dem Zuschauer besonders auf das Finale hin «nur kurze Pausen zum Luftholen.»(14)

In Crusade lassen sich die Seq. 3 und 5 (sekundärer Schatz), 12 (Verfolgungsjagd in Booten), 18 (Verfolgungsjagd auf Motorrädern), 25b (Verfolgungsjagd mit Panzer) und 27c (Gralstempel) als Höhepunkte erkennen, auf die jeweils eine Sequenz mit deutlich längerer durchschnittlicher Einstellungsdauer folgt. Von hier an beginnt die Einstellungsdauer mehr oder weniger kontinuierlich auf den nächsten Spannungshöhepunkt hin zu sinken.

Die wechselseitige Abfolge von Spannungs- und Ruhephasen lässt sich bis in den Aufbau der Sequenzen hinein verfolgen, sind doch die meisten Szenen nach diesem Muster konstruiert. Anhand der Fallensequenz in Temple lässt sich das aufzeigen. Wie am Beginn der meisten Sequenzen stehen hier mehrere längere Expositionseinstellungen, die eine räumliche Orientierung des Zuschauers ermöglichen. Nach dem ersten Schrecken – verursacht durch die Skelette – löst Short Round in Einstellung 21 die Falle aus. Indy bastelt aus Stoffetzen und einem Knochen eine Fackel, parallel dazu untersucht Willie in ihrem Zimmer, ob sich auch die zweite Statue bewegen lässt (Einst. 25 – 30). Nachdem Short Round noch den zweiten Mechanismus in Gang gesetzt hat, entwickelt sich über längere Zeit in Parallelmontage (Indy und Short Round, die in der Falle sitzen / Willie, die sie befreien kommt) der Wettlauf gegen die sich senkende Decke. In Einstellung 108 schafft es Willie, den Mechanismus zu stoppen, die Türen öffnen sich. Nach einem kurzen Aufatmen (Einst. 109 – 114) setzt sie die Falle erneut in Gang, das Trio kann gerade noch knapp entkommen. In der letzten Einstellung verharrt die Kamera auf der geschlossenen Tür. Der Beginn der folgenden Tempelsequenz (nicht mehr auf der Grafik) besteht wieder aus längeren Expositionseinstellungen.

Die bereits für die Makrostruktur der Handlungseinheiten festgestellte Abfolge von Exposition, Vorbereitung und Höhepunkt, bildet auch das Grundmuster für den Sequenz- und Szenenaufbau. Besonders in Actionsequenzen wie hier die Falle oder in Verfolgungsjagden zeigt sich eine Eigenheit der Spannungsdramaturgie in der Indiana Jones-Trilogie, die sich auch in anderen Spielberg Filmen nachweisen lässt. Es lassen sich unzählige Beispiele finden, in denen die erste Klimax nicht den Abschluss der Sequenz oder Szene bildet. Die endgültige Rettung (o.ä.) wird durch ein retardierendes Moment noch einmal hinausgezögert.(15) In obigem Beispiel liegen die beiden Spannungshöhepunkte nahe beieinander: Willie stoppt den Fallenmechanismus, die Türen gehen auf, und kaum befindet sie sich in der Falle, löst sie den Mechanismus erneut aus.

Anhand von Seq. 2 aus dem Prolog von Raiders lässt sich zeigen, dass Spielberg diese Struktur sowohl auf Sequenz- wie auch auf Szenenebene verwendet. Für die Sequenz bildet Indys Entkommen durch die sich schliessende Türe den ersten Höhepunkt. Nachdem die Zuschauer nun glauben, die Gefahr sei überstanden, rollt plötzlich ein Felsbrocken auf Indy zu, er muss erneut um sein Leben laufen. Auf Szenenebene benutzt Spielberg diese Doppelung des Höhepunkts, als Indy über den Abgrund springt und mit knapper Not an einer Schlingpflanze Halt findet. Er hat sich allerdings zu früh gefreut, wenn er sich jetzt in Sicherheit glaubt. Die Pflanze gibt nach und erst durch eine weitere Anstrengung kann sich Indy endgültig retten.(16)

Einstellungskonjunktionen

Noch zu Beginn der 60er Jahre sprach man von Einstellungskonjunktionen als der «filmischen Interpunktion». Tatsächlich scheinen die Analogien zwischen der Gliederungsfunktion der Einstellungskonjunktionen und sprachlichen Interpunktionszeichen bzw. typographischen Gliederungsmöglichkeiten augenfällig. Doch widerlegt die filmische Praxis dieses Modell sehr schnell. Zum einen ist die Zahl der gängigen Einstellungskonjunktionen viel grösser als die ihrer sprachlichen Entsprechungen.(17) Die elektronische Bildbearbeitung in der Videotechnik hat die bis anhin limitierte Zahl der Einstellungskonjunktionen zudem beinahe ins Unendliche steigen lassen. Zum zweiten fehlt den Einstellungskonjunktionen die einheitliche Kodifizierung ihrer Bedeutungen. Eine Überblendung kann beispielsweise sowohl innerhalb einer Sequenz vorkommen, was am ehesten einem Abschnittsende entspräche, wie auch am Ende der Sequenz, vergleichbar einem Kapitelende.(18)

Obwohl sich den verschiedenen Einstellungskonjunktionen kaum eindeutige Bedeutungen zuweisen lassen, zeigt die filmische Praxis, dass sich gewisse Konventionen entwickelt haben. Eine Abblende bildet etwa eine stärkere Zäsur als ein gewöhnlicher, harter Schnitt. Ebenso dient die Überblendung oft der semantischen Verknüpfung zweier Einstellungen vergleichbar einem «match cut».

In der Indiana Jones-Trilogie dominiert der Schnitt mit übergrosser Deutlichkeit, nur für wenige Einstellungsübergänge greift Spielberg auf andere Möglichkeiten zurück. Hierin drückt sich deutlich die Hollywooddoktrin des «unsichtbaren Schnitts» aus, die der generellen Bemühung dient, die Präsenz einer Erzählinstanz so weit als möglich vergessen zu machen. Der hohe Aufmerksamkeitswert, der mit Ausnahme des Schnitts allen anderen Einstellungskonjunktionen eigen ist, widerspräche dem Prinzip der «unspürbaren Kamera». Auffällige Einstellungskonjunktionen werden in der Trilogie deshalb sehr sparsam eingesetzt: in Raiders finden sich zehn, in Temple neun und in Crusade wiederum zehn ungewöhnliche Einstellungskonjunktionen.(19)

Die am Ende jedes Films verwendete Schwarzblende ist in ihrer Funktion eindeutig. Die Schliessung des Bildkanals signalisiert dem Zuschauer das Ende der Geschichte. Wie heutzutage üblich, werden Bild- und Tonkanal aber nicht vollständig geschlossen. Vor dem schwarzen Hintergrund(20) rollt, untermalt von Musik – oft ein Potpourri der im Film verwendeten Musikstücke -, der Nachspann ab.

Die Mehrdeutigkeit der Einstellungskonjunktionen lässt sich am Beispiel der Überblendung, die neben dem Schnitt am häufigsten verwendete Einstellungskonjunktion,(21) zeigen. In den weitaus meisten Fällen dient die Überblendung in der Trilogie der Komprimierung diegetischer Zeit. Deshalb wird sie vorzugsweise als Übergang zwischen zwei Sequenzen verwendet, wenn es einen grösseren Zeitsprung zu überbrücken gilt.(22) Demgegenüber stehen die Überblendungen am Anfang der Filme, in denen die «Vertextungsfähigkeit und die sinnsemantische Bindekraft»(23) zum Tragen kommt. Die enge Verknüpfung des Paramount-Logos mit einem diegetischen Gegenstand verweist auf den Fiktionalitätscharakter des folgenden Geschehens. In Raiders benutzt Spielberg eine Überblendung, um von der Liebesszene zwischen Indy und Marion in den Laderaum des Schiffes zu wechseln, wo unheimliche Geräusche aus der Bundeslade kommen und wie von Zauberhand das Hakenkreuz auf der Transportkiste zerstört wird. Zum einen betont die Überblendung die Nähe der beiden Örtlichkeiten Kabine und Laderaum und die Parallelität der Handlung. Die übernatürlichen Vorgänge im Laderaum könnten Indy und Marion bedrohen, während die beiden in ihren Kabinen schlafen. Andererseits wird aber zugleich auf das eng mit der Bundeslade verknüpfte Schicksal von Indy und Marion verwiesen.(24)

Andere Ausprägungen von Einstellungskonjunktionen werden nur äusserst spärlich eingesetzt. Anstelle einer Überblendung verwendet Spielberg in Crusade beim Übergang von Seq. 20 auf Seq. 21a eine Wischblende. Die Funktion der Wischblende besteht ebenfalls in der Komprimierung von Zeit und Raum. Wenn hier keine Überblendung verwendet wird, obwohl es durchaus denkbar wäre, lässt sich das am ehesten durch die Bewegung in der Einstellung erklären. Die Wischblende von rechts nach links eilt dem von rechts ins Bild kommenden Motorrad voraus, auf dem Indy und sein Vater vor dem Flughafen vorfahren.

Abschliessend seien noch die vier «Blenden» durch diegetische Objekte erwähnt. Diese Form der Einstellungskonjunktion wird öfters eingesetzt, um einen Schnitt zu überdecken. Gleich zu Beginn von Raiders findet sich dafür ein Beispiel. Indy nähert sich der Kamera, bis er mit seinem Rücken den ganzen Bildausschnitt abdeckt. Nach dem unsichtbaren Schnitt geht er nach rechts aus dem Bild.(25) Als diegetische Wischblende fungiert die Steinplatte, die über den Zugang zum «well of souls» geschoben wird. Der Schnitt zur nächsten Einstellung, die Indy und Marion in Nahaufnahme zeigt, erfolgt, bevor die Blende das Bild ganz geschlossen hat. Obwohl diese Einstellung nicht aus einer subjektiven Perspektive Marions oder Indys gefilmt ist, vermittelt die ins Bild geschobene Steinplatte dem Zuschauer dennoch einen Eindruck des Eingeschlossenwerdens, schliesst sich doch auch für ihn der Bildkanal, so wie Indy und Marion die Sicht nach oben genommen wird. In Temple finden sich zwei diegetische Blenden in der Gesangs- und Tanzsequenz des Prologs. Einmal verdeckt roter Rauch einen Schnitt und am Ende der Sequenz wird ein rotes Tuch als Vorhangblende verwendet.

Zeitdeformationstechniken

Die von der Norm abweichende Wiedergabe verzögerter (Zeitlupe), beschleunigter (Zeitraffer) oder umgekehrter (Rücklauf) Bewegung bzw. dem Einfrieren der Bewegung (Stehkader) besitzt wegen ihrer Diskrepanz zur realen Wahrnehmung einen hohen Aufmerksamkeitswert. Entsprechende Einstellungen werden deshalb nur sehr gezielt eingesetzt. In der gesamten Trilogie existiert nur ein Beispiel für eine Einstellung mit Zeitdeformation: als Indy in Raiders die vergiftete Dattel in die Luft wirft, wird der Flug der Dattel in Zeitlupe gefilmt.(26) Die Zeitlupe dehnt hier den Moment der Unsicherheit, ob Indy die Dattel essen wird oder nicht. Diese auktoriale Einstellung verweist «durch [die] scheinbar paradoxe Dehnung auf die Kürze eines dramatischen Augenblicks.»(27)

Obwohl die Zeitlupe signifikant oft in Actionszenen verwendet wird, erstaunt es kaum, dass dies in der Trilogie nicht der Fall ist. Durch das ästhetisierende Moment, das der Zeitlupe eigen ist,(28) können Action- und Gewaltszenen verherrlichend wirken.(29) Das würde der intendierten ironischen Grundhaltung gegenüber den Genrekonventionen entgegenlaufen. Die Zeitdehnung in Actionszenen, besonders bei der Explosion von Fahrzeugen oder Gebäuden, findet sich zudem häufig in zweitklassigen Filmen, wo aus Kostengründen versucht wird, möglichst viel Filmmaterial aus den teuren Szenen mit pyrotechnischen Tricks zu gewinnen. Obwohl Indiana Jones eine B-Movie-Tradition wiederaufnahm, wurde die Trilogie als grössere Hollywoodproduktion inszeniert, der dieser Anklang an Billigfilme schlecht angestanden hätte. Wenn auch sichtbare Zeitdeformationstechniken in den Indiana Jones-Filmen weitgehend fehlen, darf dies keinesfalls dahingehend verstanden werden, dass Erzählzeit und erzählte Zeit identisch sind. Liegt die Erzählzeit bei allen Filmen um zwei Stunden, dauert die gezeigte Handlung zwischen acht und vierzehn Tagen.(30) Zeitellipsen geschehen vielmehr durch die Montage, wo ein einzelner Schnitt oder andere Einstellungskonjunktionen Minuten, Stunden ja sogar mehrere Jahre(31) überbrücken können.

Die klassische Montage des Hollywoodfilms hat hierfür ein Regelwerk(32) entwickelt, das es dem (konditionierten) Zuschauer erlaubt, einen direkten Anschluss von einem Anschluss mit (oft sehr geringem) Zeitsprung zu unterscheiden. Wird durch einen Schnitt Zeit elidiert, muss die folgende Einstellung aus einer anderen Kameraposition – veränderte Bildgrösse oder Blickwinkel – erfolgen. Bei der mehrfachen Visionierung der Filme liess sich kein Bruch mit den Regeln der «découpage classique» feststellen. Es wäre auch erstaunlich, wenn dem formalistischen Pedanten Spielberg ein Anschlussfehler unterlaufen würde.

Die diegetische Zeit lässt sich aber nicht nur verkürzen, mittels «crosscutting» lässt sie sich zumindest für die subjektive Wahrnehmung des Zuschauers dehnen. Dieses Verfahren wird oft zur Spannungssteigerung bei Szenen benutzt, in denen der Protagonist gegen eine kurz bevorstehende Katastrophe ankämpft.

Als schon klassisches Beispiel kann die Szene in Raiders gelten, wo sich Indy verzweifelt an der Schlingpflanze emporzuhieven versucht, während sich eine Steinplatte unerbittlich vor den rettenden Ausgang schiebt. In der Fallensequenz von Temple verwendet Spielberg dieselbe Technik erneut. Hier werden abwechslungsweise Indy und Short Round, die in der Falle sitzen, und Willie, die den beiden zu Hilfe eilt, gezeigt. Vor allem zu Beginn, wenn sich Willie langsam in der Dunkelheit vortastet und dabei auf Skelette und Insekten stösst, sind diese Einstellungen deutlich länger, als die Zwischenschnitte aus dem Innern der Falle. Obwohl die Zeit drängt, scheint Willie dadurch nur langsam im Geheimgang voran zu kommen. In Seq. 25b von Crusade wird die parallele Handlung an drei Orten mittels «crosscutting» verbunden. Indy hängt hilflos an einem Geschützrohr des Panzers, ein nahender Felsvorsprung droht ihn zu zermalmen. Vogel verhindert, dass Indy auf den Panzer klettern kann, während im Innern des Panzers Henry Jones mit der Besatzung kämpft.

Wie erwähnt dehnt «crosscutting» die Zeit nur subjektiv. Die diegetische Zeit kann in diesem Verfahren durch Montage effektiv gekürzt werden. Nach der Kussszene im Pankot Palace (Raiders, Seq. 10) beginnen sich Indy und Willie zu streiten. Als er zur Tür hinausgeht, ruft sie ihm nach, dass er in fünf Minuten wieder zurückkommen werde. In der Folge wird per «crosscutting» gezeigt, wie sie sich die Zeit vertreiben in der Erwartung, dass der andere nachgeben wird. Wenn Willie nach fünf Minuten aus ihrem Zimmer stürmt und wütend in Richtung Indys Tür brüllt: «Sleep tight, Dr Jones, and pleasant dreams!» sind tatsächlich nur knapp drei Minuten vergangen.(33)

Einstellungsparameter

Einstellungsgrösse, Kadrierung und Komposition

Von den acht Einstellungsgrössen, die heute allgemein unterschieden werden,(34) besitzen nur die extremen Ausprägungen der Detail- bzw. der Panoramaeinstellung konventionalisierte Bedeutungen. Der Detailaufnahme kommt eine starke Verweisfunktion zu, man könnte sie deshalb als den filmischen Zeigefinger bezeichnen. Panoramaeinstellungen dienen wegen ihres Überblicks vor allem der Exposition des Schauplatzes, zumal wenn das Element der Weite betont werden soll.(35) Die Bedeutung der Einstellungsgrösse muss deshalb vermehrt nicht in ihrer absoluten Grösse gesucht werden, sondern in ihrer Relation zu vorhergehenden bzw. nachfolgenden Einstellungen.

Bei Spielberg lässt sich eine deutliche Tendenz erkennen, durch die Verkleinerung der Einstellungsgrösse das Unbehagen einer Situation zu verstärken. In der Fallensequenz von Temple zeigen die vielen Nah- und Grossaufnahmen nicht nur die zunehmende Panik in Indys Gesicht, sie verengen für den Zuschauer den wahrnehmbaren Raum, wie er sich ja auch diegetisch durch die herabsenkende Decke verkleinert.(36) Die Verkleinerung des Bildausschnitts kann aber ebenfalls Konnotationen wie «Gefangenschaft» und «Wehrlosigkeit» annehmen, so zeigt Trunks Analyse von Seq. 14 in Temple, in der Mola Ram Indy den giftigen Trank eintrichtert. Als Faustregel kann man auch bei Spielberg davon ausgehen, dass der Bildausschnitt kleiner wird, je spannender das Geschehen auf der Leinwand ist.

Nahaufnahmen erfüllen in der Figurenexposition eine zentrale Funktion, dienen sie doch einer konsequenten Vorenthaltungsstrategie beim erstmaligen Auftauchen einer Person. Besonders deutlich wird dies in den ersten Einstellungen von Raiders, wo der Zuschauer Indy rund zwei Minuten nicht zu Gesicht bekommt. Die Kamera wählt immer einen Bildausschnitt, der uns Indy entweder nur von hinten zeigt oder in einer Nahaufnahme beispielsweise seiner Stiefel. Sogar in der Einstellung, die endlich Indys Gesicht zeigt, wird der Zeitpunkt der «Enthüllung» durch geschickte Lichtdramaturgie – mit dem Gesicht bereits zur Kamera steht Indy zuerst noch im Schatten der Bäume – hinausgezögert. Obwohl Indy nach Raiders den meisten Zuschauern bereits bekannt sein dürfte, wird dieselbe Vorenthaltungsstrategie in den Prologen zu Temple und Crusade wiederverwendet. In Temple dauert der Spannungsmoment allerdings nur kurz, sieht man doch Indy schon kurz nach der vorenthaltenden Einstellung auf seine Beine in einer Américaine von vorne. Mit einer vermeintlichen Vorenthaltungsstrategie führt Spielberg die Zuschauer im Prolog von Crusade aufs Glatteis. Ohne es zu wissen, sieht man den richtigen Indy von Beginn an. Der Grossteil des Publikums, das eben schon auf diese Form der Exposition konditioniert ist, wird sich aber von der Einstellung auf die grabenden Männer täuschen lassen und den Mann mit dem unverkennbaren Hut und der Lederjacke, der in typischer Manier der Vorgängerfilme von hinten zu sehen ist, für Indy halten. Erst als Indys Freund ihn mit seinem Namen anredet, wird einem der Irrtum bewusst.

Die Vorenthaltungsstrategie als Merkmal der Figurenexposition gilt im allgemeinen für alle Protagonisten. Von Belloq sind nur die Stiefel zu sehen, bevor er Indy die goldene Statue abnimmt. Beim Trinkwettbewerb in Marions Kneipe schwenkt die Kamera zuerst auf ihren Konkurrenten, zeigt im Anschluss eine Nahaufnahme ihrer Hand, die nach dem Glas greift, und enthüllt erst danach ihr Gesicht. Schliesslich sei noch Henry Jones erwähnt, von dem man im Prolog von Crusade nur einen kurzen Blick auf seinen mahnend erhobenen Finger erhaschen kann. Auch im Schloss verzögert sich der Augenblick, bis man Henry Jones das erste Mal erblickt, sieht man zuerst doch nur seine Handlung – er schlägt Indy die Vase auf den Kopf – bevor er ins Bild (und in das Geschehen) tritt.

Die Komposition der einzelnen Einstellungen orientiert sich an der gängigen Hollywood-Grammar, bei der das «centered framing», also die Ausrichtung der Bildmitte auf den Mittelpunkt des Geschehens, dominiert:

(…) most shots work with a privileged zone of screen space resembling a T: the upper one-third and the vertical third of the screen constitute the ‚center‘ of the shot. This center determines the composition of long shots, medium shots and close-ups, as well as the grouping of figures. (…) Classical filmmaking thus considers edge-framing taboo; frontally positioned figures or objects, however unimportant are seldom sliced of by either vertical edge. And (…) horizon-line isocephaly is common in classical filmmaking. Thus the human body is made the center of narrative and graphic interest: the closer the shot, the greater the demand for centering.(37)

Spielberg weicht von dieser Norm nicht ab. Es gibt allerdings Ausnahmen: In Einstellungen, die zwei parallele Handlungen zeigen, können diese schwerpunktmässig in die linke bzw. rechte Bildhälfte verlagert werden. So dominiert in der Folterszene von Temple der Maharadscha die rechte Bildhälfte, während links im Hintergrund Indys Reaktion auf den Voodoozauber zu sehen ist. Solche Einstellungen stellen aber keinen Bruch mit der Hollywoodnorm dar, lautet doch das zweite Gebot der Bildkomposition «Ausgewogenheit». Indem keiner der Bildausschnitte dominiert, bleibt die Balance der Einstellung erhalten.(38)

Aus der Bildkomposition lassen sich schliesslich auch Rückschlüsse auf Beziehungen unter den gezeigten Personen oder Gegenständen ziehen. Ein Beispiel für diese häufig verwendete Technik soll hier zur Illustration genügen: Als Indy im Haus von Henry Jones nach Hinweisen auf den Verbleib seines Vaters sucht, zeigt eine Einstellung, wie Indy und Marcus Brody das Bild mit dem Gralsritter umrahmen. Das Gral-Thema, das gleichzeitig anklingt, lässt keinen Zweifel mehr daran, dass das Schicksal der beiden Männer von nun an mit dem Gral verknüpft ist. Gleich darauf tut Brody seinen Willen kund, dass er diesmal nicht wie in Raiders zu Hause bleiben werde, sondern Indy auf seinem Abenteuer begleiten will.

Kameraposition und Kamerahöhe

Die Position, die die Kamera zur Erfassung des Geschehens einnimmt, trägt ebenfalls zur Färbung der Handlung bei. Grundsätzlich kann man dabei vom Paradigma objektive vs. subjektive Kameraposition ausgehen.(39)

Wie schon bei der Einstellungsgrösse lässt sich auch für die Kameraposition eine Faustregel aufstellen: je emotionsreicher eine Einstellung, desto mehr tendiert die Kamera auf einen subjektiven Standpunkt.

Der subjektive, öfter aber subjektiv eingefärbte(40) Standpunkt der Kamera erlaubt(41) dem Zuschauer den Blick aus der Perspektive eines Akteurs. Diese kurzfristige Identifikation mit dem filmischen Subjekt zielt dabei immer auf eine Erhöhung der emotionalen Anteilnahme des Zuschauers. Wenn man praktisch mit Indy am Geschützrohr des Panzers hängt, soll das die Bedrohlichkeit der Situation unterstreichen, kommt doch der Mauervorsprung nicht nur auf ihn sondern, auch auf den Zuschauer zu.

Dass das die Kameraposition motivierende Subjekt nicht identisch mit dem Hauptakteur sein muss, zeigt sich mehrmals in Temple, wo die Handlung mit den Augen oder aus der Position Short Rounds verfolgt wird.(42) Trunk zeigt für die Szene, in der Indy gefoltert wird und man ihm das Blut Kalis einflösst, dass sie zum grössten Teil aus Short Rounds Perspektive gefilmt wurde.(43) Damit kann nicht nur auf die Wehrlosigkeit Indys verwiesen werden, gleichzeitig wird auch Short Rounds Ohnmacht durch den «gefesselten Standpunkt» inszeniert.(44) Die Kamera nimmt am häufigsten einen objektiven Standpunkt ein, wenn die Einstellungen der Handlungsmotivierung dienen. So sind die «establishing shots» auf die neuen Schauplätze jeweils aus objektiver Perspektive aufgenommen.

Die Funktion der Kamerahöhe und des vertikalen Blickwinkels orientiert sich an den gängigen Schemata, die die Untersicht als dämonisierend und die Aufsicht als nobilitierend beschreiben. Während der Zeremonie in Temple (Seq. 15) werden sowohl Mola Ram wie gleich anschliessend die Statue der Göttin Kali in Untersicht gezeigt, wodurch über den satanischen Charakter der Sekte kein Zweifel mehr bestehen kann.

Die Untersicht kann natürlich auch diegetisch motiviert sein, etwa wenn die Kamera aus der Kinderperspektive Short Rounds filmt. Doch auch dann wirkt sie meist dämonisierend oder widerspiegelt die gegenwärtigen Macht- oder Abhängigkeitsverhältnisse.(45)

Kamerabewegung

Seit Bazin existiert zumindest in der Theorie ein Gegensatz zwischen Kamerabewegung und Montage. Er befand die Montage als nicht geeignet, den natürlichen Wahrnehmungsprozess wiederzugeben. Nur in der Plansequenz sah er das «Primat des Realitätseindrucks»(46) erfüllt. In der Praxis hat diese Diskussion aber kaum Auswirkungen gezeitigt: weder gibt es Vertreter eines reinen Montagekinos, noch existiert eine Tradition des Gebrauchs von Plansequenzen als Substitution der Montage. Die Regisseure bedienen sich meistens beider Techniken.(47) Im allgemeinen wird der Montage aber der Vorzug gegeben, da der Kamerabewegung grundsätzlich ein grösseres Aufmerksamkeitspotential zugemessen wird.(48) Eine Fahrt auf ein Objekt oder eine Figur zu wirkt viel auffälliger als ein normaler Einstellungswechsel.

Spielberg setzt die Kamerabewegung deshalb sehr gezielt ein. Lange Plansequenzen finden sich in der Trilogie nur selten. Die markantesten Beispiele, der Trinkwettbewerb in Marions Kneipe und die Übergabe der Glasfigur an Lao Che, wurden bereits erwähnt. In diesen Szenen manifestiert sich auch ein deutlicher Unterschied in der spannungsdramaturgischen Inszenierung der Handlung. Beide Sequenzen können nicht als spannungsarm bezeichnet werden, dennoch herrscht in ihnen eine ganz andere Form von Spannung als etwa im Kampf, der in Temple gleich an die Plansequenz anschliesst. In Actionsequenzen wird durch die schnelle Montage die Zuschauerhaltung in Richtung eines Mitfieberns gesteuert, die Spannung besteht darin, ob es der Held schafft (rechtzeitig zu entkommen, jemanden zu retten, den Gegenstand an sich zu bringen etc.). Plansequenzen tendieren dagegen eher auf die Erzeugung von «suspense». Eine als bedrohlich erkennbare Situation wird durch lange Einstellungen gedehnt, so dass die Spannung, oft von der Musik unterstützt, kontinuierlich steigt. Der Ausgang dieses Konflikts wird über lange Zeit in der Schwebe gehalten, bis er sich in einem Moment der «surprise» auflöst. In der Nachtclubsequenz von Temple entspräche dem etwa, wenn Indy plötzlich Willie zu sich heranzieht und mit der Gabel bedroht oder wenn er am Ende aufsteht und Lao Ches Sohn tötet. Diese Technik wird auch regelmässig in den Fallensequenzen eingesetzt. Das Betreten der Falle zeigt die Kamera immer in längeren Einstellungen, denen auch expositorische Funktion zukommt, bis überraschend Skelette (Raiders und Temple) oder Messer (Crusade) aus der Wand hervorschnellen und die Spannung in einem Moment des Erschreckens auflösen.(49)

Die Kamerabewegung als Alternative zur Montage verwendet Spielberg auch in einer anderen Szene. Er benutzt Reissschwenks, um zu zeigen, wie Indy die Instrumente im Flugzeug abliest (Temple Seq. 4c). Durch die Reissschwenks wird nicht nur die subjektive Kameraposition deutlich, sie unterstreichen vor allem die Hektik der Szene in einem Masse, wie es die Montage nicht zum Ausdruck bringen könnte.

Eine uneigentliche Kamerabewegung, das Umfokussieren, kann ebenfalls den Schnitt ersetzen. In der Sequenz, in der der Maharadscha erstmals Indy durch Voodoozauber foltert, betont das Umfokussieren die Kausalität der Handlung. Zeigt die Kamera zuerst die Ursache, den Maharadscha, wie er die Puppe über das Feuer hält, wird der Schärfebereich anschliessend auf Indys Reaktion verlagert, der sich vor Schmerz zu winden beginnt.

Der normalen Kamerabewegung in der horizontalen Achse kommt grundsätzlich wenig Bedeutung zu. In der Trilogie finden sich denn auch keine Beispiele für eine aussergewöhnliche Nutzung der Kamera auf dieser Ebene. Meist handelt es sich um Korrekturschwenks oder Verfolgungsschwenks bzw. -fahrten, bei denen die Kamera den optimalen Standpunkt beizubehalten versucht.

Erheblich grösser ist dagegen das Ausdruckspotential der vertikalen Bewegung oder der Bewegung in die Tiefe des Raumes. Wenn die Kamera in Raiders von der Einstiegsöffnung des Kartenraums auf Indy hinabschwenkt, imitiert sie damit nicht nur den Sonnenstrahl, der von oben herab einfällt. Diese Bewegung verweist auch auf die göttliche Macht, die hinter der Bundeslade steht. Die Offenbarung des Standortes der Bundeslade ist folgerichtig auch als eine Erleuchtung im wahrsten Sinne des Wortes inszeniert. Der gebündelte Sonnenstrahl erhellt den gesamten Raum mit gleissendem Licht. Ähnlich kann die Einstellung auf den Schamanen in Temple interpretiert werden. Die Kamera fährt von oben herab auf ihn zu, was ihn mit übernatürlichen, göttlichen Kräften in Verbindung bringt.(50) Die Fahrt endet allerdings in einer dämonisierenden Untersicht, die den augenblicklichen Eindruck wiedergibt, den der Schamane auf Indy, Willie und Short Round macht.

Die am häufigsten verwendete (bedeutungstragende) Kamerabewegung in der Trilogie ist die Fahrt oder der Zoom(51) auf eine Figur oder einen Gegenstand. Indem der Bildausschnitt wahrnehmbar auf einen Gegenstand oder eine (Sprech-)Handlung reduziert wird, erhält das Gezeigte grösseres Gewicht. Eine Fahrt auf Donovan zu am Ende von Crusade (Seq. 27b), die in einer Grossaufnahme endet, betont die Wichtigkeit seiner Frage: «It is time to ask yourself what you believe in», was heissen soll, ob Indy daran glaubt, dass der Gral magische Kräfte besitzt, die seinen tödlich verwundeten Vater retten können.

Kamerafahrten erhöhen zwar schon von Beginn an die Aufmerksamkeit des Zuschauers, lassen ihn aber einen kurzen Moment lang im ungewissen darüber, was geschehen wird. Dadurch kann ihnen auch ein gewisses Spannungsmoment eigen sein. Wenn die Kamera im Laderaum des Schiffes auf die Bundeslade zufährt, ahnt der Zuschauer sofort, dass etwas geschehen wird.(52) Die Kamerabewegung erhebt das Wegbrennen des Hakenkreuzes zum Symbol für die göttliche Macht, die das Treiben der Nazis verdammt, und antizipiert den Schluss des Films, in dem die Nazis durch die Bundeslade mit Feuer vernichtet werden.

Als einen diegetischen oder inversen Zoom könnte man eine andere Einstellung aus Raiders bezeichnen. Auf der Suche nach der entführten Marion rennt Indy auf die Kamera zu, bis seine Augen den gesamten Bildausschnitt ausfüllen. Die Funktion dieser Bewegung ist allerdings nicht identisch mit einer Einstellung, bei der auf eine Figur gezoomt wird, bis nur noch die Augenpartie sichtbar bleibt. Dieser Zoom könnte etwa finstere Absichten der Person andeuten,(53) während die Bewegung in obiger Einstellung als Vorenthaltungsstrategie dient. Der Zuschauer kann aus Indys unvermitteltem Anhalten und seinem hektisch schweifenden Blick schliessen, dass er etwas Aussergewöhnliches sieht. Die anschliessende Einstellung enthüllt dann, dass auf dem Platz vor ihm Dutzende von Körben herumstehen, die genau gleich aussehen, wie derjenige, in dem Marion entführt wurde. Nur zwei Beispiele aus Temple lassen sich für den Gebrauch der Handkamera finden. Der von Siegrist der Handkamera attestierte Ausdruck von Dynamik und Hektik(54) trifft für beide Einstellungen zu. Wenn die Kamera im Nachtclub in subjektiver Einstellung auf das Fenster zu rennt oder in kurzem Abstand Short Round bei seiner Flucht aus dem Bergwerk verfolgt, sind das beidemal temporeiche und spannende Situationen.

Beleuchtung

Licht, Schatten und Farben bilden eine essentielle Basis des Spielbergschen Kinos. Durch sie erhalten Schauplätze eine Grundstimmung, werden Figuren charakterisiert, und sie widerspiegeln deren Gemütszustand. Die Ausleuchtung benutzt Spielberg in grossen Mass zur Steuerung der Zuschaueremotionen. Licht und Farben erscheinen aber derart natürlich und beruhen beinahe ausschliesslich auf diegetischen Lichtquellen, dass schwer zu entscheiden ist, ob diese Technik subtil oder offenkundig wirkt.

In Spielbergs Beleuchtungstechnik steht nach Godard eine deutlich erkennbare Konzeption im Vordergrund:

Le plus évident et le plus lisible des grands concepts de lumière chez Spielberg est l’éblouissement lumineux. Source de vie, la lumière est aussi source de cinéma: c’est la même chose. Spielberg est un des rares réalisateurs à oser nous montrer très souvent la lumière de face, sans en dissimuler la source. Généralement, cette lumière est intense, elle brûle l’image. C’est la lumière ‚fondamentale‘; son origine est aussi bien naturelle que surnaturelle.(55)

Das gleissende Licht weist den Weg zum Schatz, zur Bundeslade.
Screenshot Raiders of the Lost Ark

Dieses natürliche Licht, das gleichzeitig auf  einen übernatürlichen Ursprung verweist, findet sich vor allem in den beiden Science Fiction Filmen E.T. und Close Encounters, wo es die Ausserirdischen wenn nicht als göttliche Wesen, so doch zumindest als Sendboten einer göttlichen Instanz kennzeichnet. In der Trilogie wird das gleissende Licht als quasi-religiöses Symbol nicht so extensiv genutzt wie in den obigen Filmen. Überhelle Beleuchtungseffekte stehen aber in Verbindung mit dem Schatz, der immer ein Gegenstand göttlichen Ursprungs ist. Am anschaulichsten zeigt dies die oben erwähnte Szene im «well of souls», wo der gebündelte Sonnenstrahl den ganzen Raum taghell erstrahlen lässt. Auch die geöffnete Bundeslade selbst emittiert einen Glanz, der die Umgebung stark erhellt, aber es ist dies nicht das Licht der Schöpfung oder Erleuchtung, sondern der Zerstörung. Die Sankara-Steine besitzen, wie ihr strahlender Schein zeigt, diese Kraft ebenfalls, wurden sie doch aus göttlicher Hand dem Priester gegeben, um das Böse auf Erden auszurotten.(56)

Licht und Farben unterstreichen die Stimmung an den Schauplätzen. Sattes Grün dominiert in Raiders am Anfang die Urwaldlandschaft, aber das Sonnenlicht wird bereits von der dichten Flora zurückgehalten, weshalb man dem Ort mit einem gewissen Unbehagen begegnet. Vollends düster und unheimlich präsentiert sich im Anschluss die Höhle, in der tödliche Gefahren lauern. Am Ende der Flucht vor Belloq steigt das Flugzeug dem rötlich-gelben Sonnenuntergang entgegen.(57)

Auch an den übrigen Schauplätzen herrschen jeweils ein gewisser Farbton und eine eigene Lichtgebung vor, die Atmosphäre vermitteln. An der Universität herrscht draussen und im Hörsaal ein helles (vielleicht frühlingshaft warmes) Licht, das durch die düstere Atmosphäre der Aula abgelöst wird, die die Finsternis der verschütteten Räume und Gänge in Ägypten antizipiert, in die sich Indy aufgrund des Gesprächs mit den Geheimdienstleuten begeben wird. In Nepal zeigt uns der «establishing shot» ebenfalls eine dunkle Landschaft, verbunden allerdings mit Kälte, wie ein frostiges Blau – zusammen mit den überdeutlichen Windgeräuschen – andeutet. Im Innern der Kneipe wärmt zwar ein Kaminfeuer, doch bleibt der Ort unwirtlich, wie die rauchverhangene Luft signalisiert.

In Kairo und auf der Ausgrabungsstätte dominieren wieder helle Farben, solange man sich nicht in finstere Gassen und Hauseingänge oder lichtlose Höhlen(58) wagt, denn dort drohen wieder Gefahren: die Nazis, Schlangen und Skelette.

Auf der Insel im Mittelmeer schliesslich evoziert erneut die Anfangseinstellung die Stimmung: es ist Nacht, und am Himmel ziehen sich dunkle Wolken zu einem Gewitter zusammen.(59) Die finsteren Machenschaften Belloqs und der Nazis nehmen in einem kathartischen Feuerwerk ein Ende.

In der Nacht, in Höhlen und Gängen oder finsteren Gemäuern – kurz, in der Dunkelheit lauern die Gefahren. Diese Orte und die Nacht sind die typischen Schauplätze des Abenteuers, es sind aber gleichzeitig die Orte, mit denen die archetypischen Ängste der Zuschauer geweckt werden.

Die Verwendung des Gegensatzpaares hell für gut und dunkel für schlecht ist gängige Kinopraxis:

Das Attribuieren von Licht, Weissheit und weicher Kontrastierung für die guten, von Dunkelheit, Schwärze und chiaroscuro für die Bösen oder für das Dämonische schlechthin gehört historisch und interkulturell zu den stabilsten ikonographischen Schemata und hat auch im Kino beileibe nicht etwa nur im Inventar visueller Topoi von Melodrama und Trivialfilm einen zentralen Platz eingenommen.(60)

Dennoch unterscheidet sich Spielberg von der breiten Masse der Filmemacher, in dem er das Mittel der Beleuchtung extensiv und beinahe schon zu emphatisch einsetzt. Ob diese Technik im Kinosaal nicht dennoch subtil auf die Mehrheit der Zuschauer einwirkt, bleibt als Frage offen. Es wäre aber interessant zu erfahren, wievielen Kinogängern der besonders deutliche Licht- und Farbwechsel als Signal der Stimmungsänderung im Schamanendorf aufgefallen ist. Beim ersten Besuch hängt ein grauer Nebelschleier über dem Dorf, die Bewohner tragen Kleider in dunklen, tristen Farben. Im Epilog dagegen scheint die Sonne, als das Trio mit den befreiten Dorfkindern von Pankot Palace zurückkehrt. Man sieht sogar grüne Flächen in der Landschaft, und wie zur Feier des Tages erscheinen alle Einwohner mit bunten Stoffen bekleidet.

Nicht nur Farben, auch die Beleuchtung kann die Gemütslage von Personen widerspiegeln, wie beispielsweise das Gespräch zwischen Indy und Belloq in der Bar zeigt. Nach dem vermeintlichen Tod Marions ist Indy nicht nur von Trauer, sondern auch von Rachegefühlen erfüllt. Sein Gesicht bleibt während des ganzen Gesprächs im Schatten als Abbild seiner finsteren Mordgedanken gegenüber Belloq. Dagegen signalisiert schon Belloqs weisser Anzug, dass der französische Lebemann guter Dinge ist, da die Grabungen von Erfolg gekrönt sind. Er sitzt zumindest im Augenblick auf der Sonnenseite des Lebens, wie das Licht unterstreicht. Weiss, so zeigt diese Szene, kann nicht ausschliesslich als Kennzeichen der guten Seite gelten. Auch Donovan trägt einen weissen Anzug, und die Thugs bemalen ihre Gesichter für die Zeremonie mit weisser Farbe. Generell lassen sich den Farben keine durchgehend gültigen Bedeutungen zuweisen, diese müssen jeweils aus dem Kontext erschlossen werden. Rot kann sowohl für Vitalität oder Liebe stehen wie in Seq. 1 und 2 von Temple, es kann aber auch, wie die dominierenden Farben im Tempel selbst zeigen, auf Blut und Tod verweisen. Es liessen sich für alle Farben gegensätzliche Verwendungen finden, was nur einmal mehr bestätigt, dass Theorien über die Farbsymbolik im Film mit Vorsicht zu geniessen sind.

Schliesslich kann die Beleuchtung zur Aufmerksamkeitssteuerung eingesetzt werden und damit einen Schnitt oder eine Kamerafahrt ersetzen. Das Hervorheben der Augenpartie einer Figur («highlighting») ist eine der häufigsten Techniken. Oft antizipiert sie einen Blick oder eine Handlung der Figur, sie kann ihr aber auch dämonisierende Züge verleihen, wie dies bei Mola Ram (Seq. 14) der Fall ist. Im Finale von Crusade wird der Ritter vom Raum und von den anderen Figuren durch ein fahles, bläuliches Licht abgehoben, während sonst das gelbliche Licht der Fackeln dominiert. Diese «sub-cadrage» verleiht dem Ritter eine mystische Aura, ähnlich derjenigen von E.T. und den Ausserirdischen in Close Encounters.

Filmmusik

«The only thing that really bothered me», schreibt Pauline Kael in ihrer Besprechung von Temple, «was the John Williams score, which is always selling excitement; it’s to heavy for the tone of the film, and it’s set too loud. Although there isn’t much talk, the film gives you such a lot to respond to that the nonstop music produces overload, you feel as if you’d been listening to a crowd roar for two hours.»(61)

Die Musik von John Williams, im Augenblick einer der gefragtesten Komponisten in Hollywood, kann sicherlich nicht als unauffällig und subtil gelten, wie es jahrzehntelang Praxis war. Musik sollte untermalen, ohne besondere Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Williams‘ Stücke sind aber auch nicht auffällig in dem Sinne, wie es Adorno und Eisler forderten.(62) Filmmusik sollte demnach

die Distanz zwischen Leinwand und Zuschauer eher vergrösser[n], vor allem bewusst wahrgenommen werde[n] (…). Musik nicht zum Film, sondern frei von dramaturgischen Zwängen, eigenständiges Hören herausfordernd. (…) Wenn überhaupt, dann sei ein rücksichtsloser Gebrauch avenciertester musikalischer Mittel notwendig; auf jeden Fall montierte Musik, die nicht das Bild unterstreicht, sondern den Eindruck unterbricht, sich kontrapunktisch verhält.(63)

Nicht nur der Eindruck der Verfremdung, den kontrapunktische Musik hervorruft, vor allem der Bruch mit dem Kino als perfekte Illusion widerspricht allerdings grundlegend dem Filmmusikkonzept Hollywoods. Filmmusik soll Bilder untermalen, kommentieren und ihre Expressivität verstärken. Filmmusik, die auf die Eigenständigkeit des Mediums pocht und sich explizit nicht in den Dienst des Bildes stellen will, ist in dem Masse, wie es Adorno und Eisler forderten, im «mainstream»-Kino Hollywoods undenkbar. Der diametrale Gegensatz der Positionen lässt sich an der Idee erkennen, Musik im Kino soll die Distanz zwischen Zuschauer und Leinwand erhöhen. Genau das kann nicht in der Absicht des Hollywoodkinos liegen: der visuelle Eindruck des Bildes soll mit dem akustischen Kanal, Geräusche und Filmmusik, zu einem Ganzen verschmelzen, das die Sinne völlig erfüllt und die konkrete Situation – der Zuschauer sitzt im Kinosaal – vergessen lässt.(64) Das fiktionale Geschehen auf der Leinwand soll zur momentanen Realität werden.

Unbestritten bleibt aber die

aussergewöhnliche Affinität zwischen dem vorrangig ‚ikonischen‘ Kinematographen und der vom ‚Symbolischen‘ dominierten Musik (…)(65)

Wie kaum ein anderes «Accessoire» des Films, vermag Musik das Ausdruckspotential eines Bildes erheblich zu steigern. Diese Fähigkeit der Musik, einer Einstellung eine «zusätzliche expressive Dimension»(66) zu verleihen, macht sich Spielberg in seinen Filmen ausgiebig zunutze.

Auffallendstes Merkmal der Musik von John Williams zu den Indiana Jones-Filmen ist sicherlich der ausgeprägte Einsatz von Leitmotiven. In jedem Film findet sich für den Protagonisten, die weibliche Hauptfigur(67) und für den Schatz ein klar erkennbares musikalisches Thema, wobei Indys Leitmotiv sogar über die gesamte Trilogie hin beibehalten wird.(68)

Dieses Leitmotiv unterstützt die Charakterisierung der Figur. Indys Thema ist geprägt von heroischen Fanfarenklängen, im Liebesthema (Marion’s Theme) dominieren hohe Streicherpassagen (die Geigen und der siebte Himmel, wohl das gängigste musikalische Klischee Hollywoods), und aus dem Leitmotiv für den Schatz kann man beinahe seine geheimnisvollen Kräfte heraushören (Ark’s Theme).

Anhand des Indy-Themas, das natürlich mit Abstand am häufigsten eingesetzt wird, lassen sich die Funktionen des Leitmotivs am besten beschreiben. Im allgemeinen klingt Indys Thema kurz vor, während oder – am häufigsten – nach überstandenen Gefahren an. In voller Länge (und voller Orchestrierung) wird es jeweils erst am Ende des Films ausgespielt, wenn kein Zweifel mehr an Indys endgültigem Triumph besteht . Doch schon zum Abschluss des Prologs erklingt die Fanfare ein erstes Mal, obwohl der Triumph zwar nicht vollständig ist, doch gelingt es Indy jeweils zumindest, seine Haut vor den mörderischen Absichten seiner Gegner zu retten.

Neben dieser schon institutionalisierten Verwendung des Themas taucht Indys Erkennungsmelodie unzählige Male im Verlauf der Filme auf. Oft ertönen nur wenige Takte, etwa wenn ihm Short Round die Peitsche zuwirft, damit er sich gegen den angreifenden Thug zur Wehr setzen kann. Die Musik signalisiert hier den Umschwung im bis anhin ungleichen Kampf und antizipiert Indys Sieg.

In der Musik widerspiegelt sich auch die gegenwärtige Situation oder Stimmung des Helden. Nachdem es Indy und seinen Begleitern gelungen ist, sich vor Lao Che in das bereitstehende Flugzeug zu retten, stimmt die Musik Indys Thema an. Als er jedoch die Türe des Flugzeugs schliesst, sieht man dort deutlich den Schriftzug «Lao Che» prangen. Das triumphale musikalische Thema löst sich gleichzeitig in Dissonanz auf, die die vermeintlich erfolgreiche Flucht relativiert. Ein weiteres Beispiel aus Temple wäre die Gefangennahme Indys im Bergwerk: die Szene, in der die beiden Kinder von der Wirkung des Trankes erzählen, den man ihnen verabreichen will, schliesst mit einer melancholischen Variation des Indy-Themas, das langsam ausklingt, wie wenn es das Erlöschen von Indys Willen durch den Trank vorwegnehmen
wollte.

Durch die musikalischen Themen können Personen, Gegenstände und Schauplätze verbunden werden. Schon während Indy in Raiders die Koffer packt, stimmt die Musik wehmütig das Liebesthema an, als die Rede auf Marion kommt. In der folgenden Reisesequenz vermischt sich Indys Leitmotiv mit dem Liebesthema, und ganz am Schluss ertönen noch «nepalesische» Klänge.(69) Die Musik vollzieht hier die Handlung nach – Indy reist zu seiner ehemaligen Geliebten, für die er immer noch viel empfindet, nach Nepal. Auch eine Mischform, in der ein diegetischer Gegenstand oder eine Figur durch das musikalische Thema in Zusammenhang gebracht werden, findet sich in der obenerwähnten Szene, in der sich Indy auf die Reise vorbereitet: Als Brody das Gespräch auf die Bundeslade bringt, erklingt das dazugehörige musikalische Leitmotiv, während die Kamera auf Indy schwenkt und ihn gross ins Bild nimmt. Die drei Hauptthemen (Indy, Liebesgeschichte, Schatz) sind jeweils in ihrer positiven Grundvariante am Ende des Films, entweder im Epilog oder über dem Nachspann, nochmals in einer Art Potpourri zu hören.

Deutlich erkennen lassen sich ebenfalls Indys Gegenspieler an der musikalischen Untermalung. Für die Nazis stehen in Raiders und Crusade dumpfe Blechbläser, wie sie etwa in der Bazarszene zu hören sind. Diegetische Marschmusik, ebenfalls von Bläsern und Trommeln dominiert, ertönt in der Bücherverbrennungsszene von Crusade. Die Thugs werden auf der musikalischen Ebene diegetisch durch den eintönigen Chorgesang und Trommeln eingeführt.(70) Der Chorgesang, der von der Eintönigkeit bis zum schrillen, geisterhaften «Gejammer» reicht,(71) wechselt im Verlauf der Sequenz auf die nondiegetische Ebene, zusammen mit den Trommeln bildet der Chor das vorherrschende musikalische Klangmuster im Untergrund des Pankot Palace.

Beinahe das gesamte Musikmaterial von John Williams lässt sich in seiner Funktion als «mood-technique» beschreiben. Wenn sich Indy vorsichtig in Höhlen vorwärtsbewegt, erklingt dumpfe, langsame Musik. Verfolgungsjagden oder Kämpfe werden von schnellen Streicherläufen in hohen Tonbereichen(72) mit eingeschobenen Paukenschlägen begleitet etc. Die Grenzen zum «mickey-mousing»(73) sind allerdings manchmal fliessend. Ein hohes Pizzicato der Geigen imitiert das Trippeln der Spinnen auf ihren dünnen Beinen in der Eingangsszene der Höhlensequenz von Raiders. Indys Zweikampf mit dem deutschen Ringerkoloss erhält durch die akustische Untermalung schon beinahe eine komische Note, prügeln sich die beiden doch im von Paukenschlägen angegebenen Takt der Musik.

Die Technik des plötzlichen Verstummens der Musik, die Aposiopese, ebenfalls ein traditionelles Element der Filmmusik, wird in der Trilogie auch eingesetzt. Während der ganzen Flucht aus der Höhle im Prolog von Raiders untermalt die Musik das dramatische Geschehen. Nachdem sich Indy mit einem Sprung vor dem Felsbrocken in Sicherheit gebracht hat, verstummt der Tonkanal schlagartig – die Sicherheit erweist sich als trügerisch, erwartet ihn doch draussen Belloq, der ihm den Schatz abnimmt.

Wie schon bei der Beleuchtungstechnik kann man auch der Filmmusik eine extreme Deutlichkeit attestieren, die nichts verbirgt, sondern im Gegenteil alles daran setzt, dem Zuschauer die emotionale Befindlichkeit einer Figur oder die Grundstimmung einer Situation mit wenigen Takten und Klängen verständlich zu machen. Die Musik von John Williams, der die grossen Gefühle in pathetische Fanfaren oder die Liebe in seidene Klänge einzupacken versteht, ist dafür besonders geeignet, gerade weil ihr jegliche Subtilität fehlt.

Geräuschkanal, Dialogton und visuelle Kanäle

Als Hauptaufgabe des Geräuschkanals gilt die Schaffung einer Ambiance, die den Realitätseindruck des Bildkanals auf dem akustischen Kanal ergänzt. Diesen diegetischen Geräuschen muss keine besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden. Daneben bietet der Geräuschkanal aber eine Reihe von Möglichkeiten, die Intensität einer Einstellung oder Szene zu erhöhen, das

Sekundärsystem des Tons [bietet] auch enorme Möglichkeiten zur indirekten semantischen Nachbearbeitung des Bildkanals im Sinne einer zumindest akzentuierend, charakterisierend oder tropologisch eingesetzten Montage (…).(74)

Als häufigste akustische Technik verwendet Spielberg die Überhöhung des diegetischen Tons. Was immer gefährlich, dämonisch oder ekelhaft erscheinen soll, erhält durch den Geräuschkanal besondere Unterstützung. Regelmässig findet sich eine nicht diegetisch motivierte Lautstärkesteigerung in der Spinnen-, Insekten-, Schlangen- bzw. Rattenszene. Besonders typisch ist hier der Beginn der Fallensequenz in Temple. In der Dunkelheit der Höhle spüren Indy und Short Round, dass sie auf etwas treten («fortune cookies», wie Short Round meint). Erst als Indy im Schein eines Streichholzes einen genaueren Blick auf den Boden wirft, erkennen sie, dass es im Gang nur so von Insekten wimmelt. Im ersten Teil der Szene ist auf dem Geräuschkanal nur das Knirschen der Schritte zu hören. Beim «reaction-shot» auf den Boden, der die Insekten in Grossaufnahme zeigt, setzt auf dem Tonkanal ein überlautes «Pfeifen» ein, das offensichtlich durch die Insekten verursacht wird.(75) Dieser synchrone Paukenschlag von Bild und Ton, soll den Überraschungs- und Schreckenseffekt der Einstellung verstärken.

Obiges Beispiel verweist auf ein zusätzliches Phänomen der Funktion des Tonkanals. Das «Pfeifen» der Insekten erinnert weder an das Zirpen einer Grille, noch an ein anderes Geräusch, das man realistischerweise Insekten zuschreiben könnte. Es erinnert vielmehr an das (diesmal realistische) Pfeifen der Ratten in Crusade. Korrekterweise müsste man deshalb nicht von einer Überhöhung des diegetischen Tons sprechen, sondern vom Einsatz nicht diegetischer Geräusche. Da aber beim Zuschauer die Tendenz vorherrscht, Geräusche der Handlung zuzuweisen, wird die grosse Mehrheit das «Pfeifen» mit den Insekten in Verbindung bringen. Gewisse nicht diegetische Geräusche sind bereits so hochgradig konventionalisiert, beispielsweise der Faustschlag,

dass gerade die getreue Wiedergabe des realistischerweise kaum hörbaren Geräuschs als wirklichkeitsfremd empfunden würde.(76)

Interessant am obigen Beispiel erscheint, dass sich offensichtlich das Pfeifen und Quietschen der Ratten, wie es in Crusade eingesetzt wird, auch eignet um auf dem Geräuschkanal das Abscheugefühl vor anderen, typischerweise als eklig geltenden, Tieren zu verstärken, obwohl dieses Geräusch kaum als realistisch gelten kann. Auch hier scheint eine Konventionalisierung stattgefunden zu haben.

Die Überhöhung von Geräuschen lässt sich in der Trilogie an Dutzenden von Beispielen nachweisen. Wie schon die ebenfalls auf dem akustischen Kanal übermittelte Filmmusik intensivieren die Geräusche die Handlung oder fokussieren auf ein besonderes Ereignis. Bezeichnenderweise setzt das Geräusch dabei oft kurz vor oder gleichzeitig mit der Handlung ein. Wenn Indy Willies Zimmer untersucht, setzt das Geräusch des Windzuges ein, kurz bevor Indy auf den Blumenstrauss zugeht und daraufhin den Geheimgang entdeckt. Auch wenn die gesamte Szene grundsätzlich den Anschein macht, als handle es sich um ein objektives Geräusch, verweist obige Feststellung auf eine Subjektivierung des Tonkanals (der Zuschauer hört das Geräusch erst, als es auch Indy auffällt).

Der Geräuschkanal erhält eine besondere Bedeutung, wenn Bild und Ton nicht synchron verlaufen. Das Geräusch aus dem Off, ob vorgezogen oder nachhallend, dient dabei meistens der Dämonisierung. Belloqs teuflisches Gelächter, nachdem er Indy die Inka-Statue abgenommen hat, ist noch in der nächsten Einstellung, zusätzlich durch Hall verfremdet, zu hören, in der Indy bereits auf der Flucht ist. In der Deutung müsste man auch hier dem Ton subjektive Qualitäten zuschreiben etwa in dem Sinne, dass Belloqs Gelächter in Indys Ohr noch nachklingt.

Der Dialogton ist in der Trilogie nur insofern von Interesse, als sich daran die Verwendung eines weiteren typischen Hollywoodmusters aufzeigen lässt.(77) Die Fremdsprachenkompetenz einer Figur wird oft zu ihrer Charakterisierung eingesetzt. So gilt in den Indiana Jones-Filmen grundsätzlich, dass sich die bösen Nicht-Amerikaner durch ein zwar fehlerfreies, aber mit einem überdeutlichen Akzent versehenes Englisch auszeichnen. Besonders deutlich ausgeprägt ist dieses sprachliche Merkmal bei den Nazis, dabei stört es wenig, ob etwa Vogels Englisch deutlich erkennen lässt, dass seine Muttersprache nicht Deutsch, sondern Holländisch ist. Als Kennzeichen für die Deutschstämmigkeit genügt offensichtlich das rollende «R» und ein generell «knacklautschwangere[r]»(78) Akzent. In den Ohren des  amerikanischen Publikums scheint auch das reine «Oxford»-Englisch(79) Chatter Lals fremdartig zu klingen, was genügt, um ihn auf die Seite des Bösen zu stellen.

Sowohl Sallah wie auch Short Round lassen anhand ihrer Sprache deutlich erkennen, dass Englisch nicht ihre Muttersprache ist, doch besitzen Indys Freunde einen etwas verschliffeneren Akzent. Hier dient der leichte Akzent nur zur Signalisierung der Ersatzsprache.

Die Aufspaltung des Bildkanals, eine eher seltene Technik im Film, benutzt Spielberg sehr zurückhaltend. Die Doppelbelichtung wird jeweils in den längeren Reisesequenzen eingesetzt, wo sie in ihrer ursprünglichsten Funktion, der Parallelisierung zweier Ereignisse, verwendet wird. Noch seltener sieht man auf der Leinwand eine «split screen», also zwei oder mehrere Bilder gleichzeitig.(80) In der Trilogie findet sich keine effektive «split screen». Man könnte allerdings beim Streit zwischen Indy und Willie nach der Kussszene von einer «diegetischen split screen» sprechen. Nachdem Indy die Tür geschlossen hat, reisst Willie einen Türflügel wieder auf und beschimpft ihn als eingebildeten Affen. Indy ist dabei vom geschlossenen Türflügel noch verdeckt. Dieser eigentlich geschlossene Teil des Bildkanals öffnet sich im wahrsten Sinne des Wortes erst, als Indy den zweiten Türflügel aufreisst, so dass er wieder im Bild ist, während er nun seinerseits gegen Willie wettert.

Die schliesslich letzte Nutzung des visuellen Kanals besteht in den Schriftinserts, die Spielberg in ihrer traditionellen Funktion als konzise Exposition des Schauplatzes und der Zeit verwendet. Die Schriftinserts dürften aber eher einen zitathaften Verweis auf die Genretradition darstellen, sind sie in ihrer Funktion doch keineswegs unverzichtbar. Der Schauplatz wird trotz des Schriftinserts zusätzlich durch einen «establishing shot» eingeführt (ob man nun weiss, dass der Urwald in Südamerika liegt, ist letztlich unerheblich), und die Exposition des Zeitpunktes könnte anhand von Kleidung, Autos etc. später erfolgen, ohne dass die Handlung an Verständlichkeit verlieren würde. Diegetische Schriftzüge werden zwar eingesetzt, doch sind auch sie von geringer Bedeutung. Der Wegweiser, auf dem (mitten in Österreich!) Venedig und Berlin angeschrieben steht, antizipiert zwar die Diskussion über das Reiseziel, die nun zwischen Indy und seinem Vater folgt. Die Szene liesse sich aber auch ohne diese redundante Information drehen.

5. Kino der Emotionen


  1. Die Ausnahme bildet etwa der Off-Erzähler.
  2. Ein Beispiel für eine «unmögliche» Kameraposition wäre etwa eine Einstellung aus Jack Nicholsons The Two Jakes (1989), wo die Kamera aus einem Golfloch heraus filmt. Zur «unmöglichen» Kameraposition vgl. auch Siegrist, S. 141f.
  3. Bordwell 1985, S. 61f.
  4. Tatsächlich findet sich in der Literatur oft der Terminus «filmischer Erzähler», der dasselbe meint wie Bordwells «filmische Erzählung». Um der Klarheit willen wäre zwar ein neutralerer Begriff wie eben «Erzählung» oder «Erzählinstanz» zu bevorzugen, letztlich geht es aber nur darum, sich beim Film unmissverständlich von der literaturwissenschaftlichen Bedeutung des Begriffs «Erzähler» abzugrenzen.
  5. Bordwell/Staiger/Thompson, S. 25.
  6. Bordwell/Staiger/Thompson, S. 25.
  7. Die Gültigkeit dieser Feststellung lässt sich in jedem Prolog der Trilogie nachweisen. Stellvertretend sei hier kurz auf Raiders verwiesen: Mit der Überblendung vom künstlichen, aber real existierenden Paramount-Logo zum «realen», aber nur fiktional existierenden Berg im Urwald, gibt sich deutlich eine Erzählinstanz als Vermittlerin der Information zu erkennen. Diese Instanz kennt die Handlungsabsichten aller Personen und befindet sich immer am richtigen Ort, um diese Handlung dem Zuschauer zu zeigen (vgl. den Mordversuch des Begleiters). Gleichzeitig ist sie aber zurückhaltend, was Informationen über den Protagonisten betrifft, den wir als solchen durch diese Vorenthaltungsstrategie überhaupt erkennen (Indy kommt erst nach ca. 3 Minuten deutlich ins Bild).
  8. Siegrist spricht hier von einem «zu vermutende[n] Ausdruckspotential der Einstellungslänge (d.h. in erster Linie die naheliegende Reflexivität von Ereignis- und Montagefolge)» (S. 173).
  9. Spielberg selbst meint zu Temple: «Indiana Jones [and the Temple of Doom] hat zuviel Action. Der Film ist selbst für mich zu schnell» (Schaper, S. 176). Interessant an dieser Aussage ist auch, dass Spielberg Action und Schnittfrequenz in Beziehung setzt und damit obige Hypothese über die Aussagekraft von Einstellungsdauer in Bezug auf die Spannungsdramaturgie aus produktionsästhetischer Sicht bestätigt.
  10. Die erste Sequenz von Raiders zeigt dieses Merkmal weniger deutlich, was sich durch die unterschiedlichen Anfänge der einzelnen Prologe erklärt. Der Beginn von Raiders entspräche nach Christens Typologie der Filmanfänge dem Typus «in medias res», der mit einem «Knalleffekt», also spannungsvoll, beginnt. Temple und Crusade gehören dagegen in die Kategorie des «verspielten» beziehungsweise «klassischen» Beginns, die beide eher gemächlich an das Thema des Films heranführen (vgl. Christen, S. 11f.)
  11. Die Plansequenz sollte ursprünglich sogar fünf Minuten dauern, passte so aber nicht zum Tempo der gesamten Sequenz und wurde deshalb gekürzt. Die Plansequenz wurde mit dem Louma-Kran gefilmt, und Spielberg spricht davon, dass das «die beste Anwendung des Louma-Krans [war], die ich je erlebt hatte.» (Spielberg a.a.O., S. 113). Sie hat ihm offensichtlich so gut gefallen, dass er in Temple eine praktisch identische Plansequenz drehte (die Übergabe des sekundären Schatzes an Lao Che in Seq. 2a).
  12. Wie bei allen kurzen Sequenzen (Seq. 8 dauert nur zwanzig Sekunden) muss die Aussagekraft des Wertes der Einstellungsdauer hier relativiert werden.
  13. In der zweiten Vorbereitungsphase bildet Seq. 20, die Kaperung des Schiffes durch die Nazis, den Höhepunkt und nicht, wie man aus der Grafik schliessen könnte, Seq. 21 (die Reise mit dem U-Boot zur Insel), die ebenfalls wieder zu kurz ist, um eine eindeutige Interpretation des Wertes zu ermöglichen.
  14. Goldau/Prinzler, S. 157.
  15. Ein bekanntes Beispiel ist der letzte Haiangriff am Strand von Amityville in Jaws. Zuerst lösen zwei Kinder mit der Attrappe einer Haifischflosse falschen Alarm aus. Kurz darauf greift der richtige Hai in der Bucht ein Boot an.
  16. Es würde an dieser Stelle zu weit führen, alle Sequenzen und Szenen mit Doppelung des Höhepunkts aufzulisten. Um aber auch noch ein Beispiel aus Crusade zu erwähnen, sei auf Seq. 21 verwiesen. Zuerst müssen Indy und sein Vater unerkannt an Bord des Zeppelins gelangen (sie werden bereits per Steckbrief gesucht), dann verhindert Vogel beinahe ihren Abflug. Die Flucht mit dem Zeppelin gelingt trotzdem nicht, und sie müssen in das Flugzeug umsteigen. Zum Schluss finden sich zwei Höhepunkte, als Indy und sein Vater vor den beiden deutschen Flugzeugen fliehen.
  17. Opl unterscheidet allein 16 mögliche Funktionen des Schnitts (S. 192ff.). Sollte die Analogie zwischen Einstellungskonjunktion und Interpunktion funktionieren, müssten in der Sprache 16 Varianten des Kommas, das man bei diesem Modell als Entsprechung des Schnitts versteht, existieren.
  18. Vgl. dazu Siegrist, S. 175f.
  19. Bei einigen Einstellungsübergängen fiel es schwer zu entscheiden, ob es sich um einen normalen Schnitt oder «mechanische Blenden mit entdiegetisierten Objekten, Filtern und Kameramanipulationen» (Siegrist, S. 177) handelt. Von der Handlung her schienen die Übergänge aber kaum von besonderer Bedeutung, so dass sie als normale Schnitte behandelt wurden.
  20. Anstatt vor einem schwarzen Hintergrund läuft der Nachspann oft auch über die erstarrte letzte Einstellung (Stehkader) des Films.
  21. Von den 29 ungewöhnlichen Einstellungskonjunktionen entfallen 22 auf Überblendungen.
  22. Eine Überblendung leitet in den Filmen der Trilogie jeweils die Reisesequenzen ein und steht oft auch am Ende des Schauplatzwechsels.
  23. Siegrist, S. 179.
  24. Dass in dieser Szene das Hakenkreuz weggebrannt wird, antizipiert wiederum die Kaperung des Schiffes durch die Nazis am nächsten Morgen, die gleich daran anschliesst. Der Kreis der involvierten Parteien schliesst sich.
  25. Da es sich bei dieser Einstellung wahrscheinlich um eine Trickaufnahme mit gemaltem Hintergrund («matte painting») handelt, könnte der Grund für die diegetische Schwarzblende und den versteckten Schnitt in einer technischen Notwendigkeit liegen.
  26. Neben der Zeitlupe findet heute im allgemeinen nur noch das Stehkader Verwendung. Zeitraffer und Rücklauf werden aufgrund ihrer grotesken Wirkung äusserst selten eingesetzt.
  27. Siegrist, S. 185. Dort wird auch die dem Bedeutungspotential der Zeitlupe inhärente Antizipation von Tod für fokalisierende Einstellungen erwähnt. Diese zweite Bedeutung liesse sich durch die Handlung ebenfalls vertreten. Wegen der auktorialen Kameraposition ist der ersten Variante aber der Vorzug zu geben.
  28. Vgl. die Häufigkeit von Zeitlupe in Werbespots (vor allem für Körperpflegeprodukte).
  29. Vor allem in Kriegsfilmen gibt die Verwendung von Zeitlupe immer wieder zu Diskussionen Anlass, wie dies etwa bei Coppolas Apocalypse Now oder Kubricks Full Metal Jacket der Fall war.
  30. Diese Werte betreffen jeweils nur die Haupthandlung und sind approximativ, kann doch der Zeitsprung zwischen Einstellungen auf grund von diegetischen Hinweisen nur geschätzt werden.
  31. Vgl. den «match cut» am Übergang von Seq. 4 zu Seq. 5 in Crusade, wo zwischen zwei Einstellungen über zwanzig Jahre vergangen sind.
  32. Vgl. dazu Kersting, S. 275f.
  33. Ein Zeitsprung wird in der Handlung direkt angegeben. Nachdem Willie mit der Bemerkung «five minutes» auf die Uhr geschaut hat, sagt Indy in der folgenden Einstellung: «Four and a half.» Folglich wurden mit dem Schnitt dreissig Sekunden übersprungen. Wesentlich zum Eindruck der Länge dieser Szene trägt die Musik bei. Die schleppenden Streicherklänge unterstreichen das langsame Vergehen der Zeit.
  34. Vgl. Siegrist, S. 154 oder Opl, S. 179.
  35. Bspw. die endlose Weite der Wüste, durch die sich ein Verdurstender schleppt.
  36. Zwei halbnahe Einstellungen sind dennoch dazwischengeschnitten, damit die Position der Decke – und damit die zunehmende Bedrohlichkeit der Situation – für den Zuschauer erkenntlich wird.
  37. Bordwell/Staiger/Thompson, S. 51.
  38. Die Balance bleibt offensichtlich sogar dann erhalten, wenn in einer solchen Einstellung die Schärfe durch Umfokussieren verlagert wird, und damit zuerst die eine Bildhälfte im Zentrum der Aufmerksamkeit steht, nach dem Umfokussieren die andere.
  39. Zur Detailanalyse einzelner Einstellungen sollte man sich allerdings an einer verfeinerten Unterscheidung orientieren. Vgl. Siegrist, S. 132ff., der sieben Ausprägungen der Kameraposition unterscheidet.
  40. Der subjektiv gefärbte Standpunkt erlaubt der Kamera eine grössere Beweglichkeit, ist sie doch nicht so eng mit der Figur verbunden, aus deren Perspektive der Blick auf die Handlung geschieht, wie die subjektive Kamera.
  41. In vielen Einstellungen wäre es angemessener von Zwang zu sprechen.
  42. Nur selten wird die Handlung aus der Position der Frauenfiguren verfolgt. Sie sind auch hier mehr Objekt denn Subjekt. Gängig sind subjektive Einstellungen nur in den Liebesszenen. Allerdings finden sich auch vereinzelte Beispiele für die subjektive Einstellung aus der Sicht der Frau, etwa wenn die Kamera Willie über die Schulter blickt, als zuerst Mola Ram, dann Indy auf sie zukommt, um sie im Käfig anzuketten.
  43. Vgl. Trunk, S. 215f.
  44. Short Round – als Vertreter des Zuschauers – versucht tatsächlich einmal in das Geschehen einzugreifen, doch wird er gleich wieder zurückgebunden. Spielberg scheint hier kurzfristig dem Zuschauer den Wunsch zu erfüllen, in die Handlung eingreifen und dem wehrlosen Helden helfen zu können.
  45. Vgl. auch die Einstellungen, in denen Indy während des Zweikampfes gegen den Soldaten in Raiders (Seq. 16) am Boden liegt. Die Kamera nimmt hier mehrmals eine subjektivierte Perspektive ein, die dem Zuschauer den Soldaten in Untersicht oder Froschperspektive zeigt.
  46. Siegrist, S. 164.
  47. Wiederum lässt sich auf das Beispiel von Altmeister Hitchcock verweisen: mit Rope drehte er einen Film, in dem er nur die Plansequenz verwendete. Gleichzeitig zeichnet er verantwortlich für eine der berühmtesten Montagesequenzen der Filmgeschichte, den Mord unter der Dusche in Psycho.
  48. Dies gilt nicht für die meist kaum wahrgenommene Bewegung eines Korrektur- oder Verfolgungsschwenks.
  49. Diese Strategie ist fester Bestandteil der Hollywoodschen Spannungsdramaturgie. In vielen Filmen wird die Erwartungshaltung der Zuschauer aber wieder unterlaufen, indem sich die vermeintliche Gefahr als völlig harmlos entpuppt. Vgl. etwa wenn Willie vorsichtig in der Fallensequenz in ein Loch greift, um den Mechanismus zu stoppen, und plötzlich Indys Hand – nicht Insekten, wie der Zuschauer erwartet – hervorschnellt.
  50. Der Schamane glaubt ja, dass das Trio als Antwort auf seine Gebete von der Göttin Shiva geschickt wurde. Indy widerspricht dem zwar, doch am Ende der Geschichte, als der Schamane Indy fragt, ob er nun die magische Kraft der Steine verstehe, muss Indy zugeben, dass er das am Anfang falsch beurteilt hat, was auch den «Zufall» des Flugzeugabsturzes in ein anderes Licht rückt.
  51. Der Zoom ist technisch gesehen nicht mit einer Kamerafahrt vergleichbar und gehörte eigentlich unter ein Stichwort «Kameraobjektiv». Dass die Fahrt und der Zoom hier im selben Teil erwähnt werden, hängt damit zusammen, dass oft nicht genau entschieden werden kann, ob eine Einstellung mit einer Fahrt oder einem Zoom gedreht wurde (in Opls Analyse werden sie aus diesem Grund ebenfalls gleich behandelt).
  52. Die unheimlichen Geräusche, die offensichtlich aus der Bundeslade kommen, verstärken diesen Eindruck.
  53. Diesen dämonisierenden Effekt vor allem eines schnellen Zooms macht sich Spielberg in Temple (Seq. 15) zunutze. Die Kamera zoomt auf Mola Ram und zeigt sein triumphierendes Grinsen, während Indy unter dem Einfluss der Droge Willie ankettet und in den Käfig einschliesst.
  54. Vgl. Siegrist, S. 170.
  55. Godard, S. 150. Obwohl viele Autoren kurz auf Spielbergs Beleuchtungstechnik vor allem in den beiden Filmen E.T. und Close Encounters eingehen, ist Godard der einzige, der diesem Thema ein ganzes Kapitel widmet und Farbgebung bzw. Beleuchtung in allen Filmen genauer betrachtet.
  56. In Crusade wird für den Gral diese Beleuchtungsart nicht eingesetzt.
  57. Godard beschreibt den Sonnenuntergang am Ende von Duel wie folgt: «Il [David Mann] se dissout presque dans cette lumière qui dessine autour de lui une aura circulaire. Cette fin, pour lui, est comme une seconde naissance» (S. 151). Zwar stehen die Sonnenuntergänge in der Trilogie (in Temple am Ende des Prologs und in Crusade ganz am Schluss des Films) als «natürliche» Abblenden, doch könnte das überstandene Abenteuer für den Helden durchaus eine Art Wiedergeburt bedeuten.
  58. Bei den Dreharbeiten im «well of souls» stellte sich das Problem, dass es keine diegetische Lichtquelle mehr gab, nachdem die Einstiegsluke verschlossen war. Spielberg beschaffte sich eigens für diese Szene eine Lizenz für «unsichtbares Filmlicht», durch das das Setting gleichmässig ausgeleuchtet wurde, so dass man die Hieroglyphen an den Wänden erkennen konnte, dennoch aber der Eindruck von Dunkelheit entstand (vgl. Spielberg a.a.O., S. 112f.). Dieses Beispiel zeigt, wieviel Aufmerksamkeit Spielberg der Beleuchtung zukommen lässt.
  59. Schon bei der Bergung der Bundeslade zog ein Gewitter auf, dessen Donnergrollen und Blitze sich nur unschwer als der Zorn Gottes erkennen lassen, stand doch auf dem Medaillon: «The peace of the ark must not be disturbed.»
  60. Siegrist, S. 197.
  61. Kael 1987, S. 181f.
  62. Theodor W. Adorno/Hanns Eisler: Komposition für den Film. München 1969 (Orig. New York 1947).
  63. Helga de la Motte-Haber: Musik im Hollywood-Film, S. 64. In: Korte/Faulstich 1988, S. 64 – 72.
  64. Vgl. die diversen Anstrengungen, die Illusion im Kino durch Verfahren wie Dreidimensionalität, Sensorround oder Riech-Kino zu perfektionieren.
  65. Siegrist, S. 107.
  66. Siegrist, S. 109.
  67. Im Grunde handelt es sich hierbei weniger um ein musikalisches Thema, das sich auf die Figur bezieht, als vielmehr für die Liebesgeschichte steht. Es charakterisiert oder kommentiert nicht die Handlung der Protagonistin, sondern spiegelt ihre Beziehung zum Helden, weshalb es angemessener scheint, von einem Liebesthema zu sprechen.
  68. Wie ein Beispiel aus Crusade zeigt, würde das auch für die anderen Figuren und den Schatz gelten, tauchten sie denn noch ein zweites Mal auf. In den Katakomben von Venedig entdeckt Elsa eine Zeichung an der Wand. Sie fragt Indy, was darauf abgebildet sei und er antwortet: «The Ark of the Convenant.» Während des Dialogs wird ganz kurz der Haupttakt des Bundeslade-Themas angespielt.
  69. Die durch typische Klänge des Schauplatzes eingefärbte Musik, etwa Sitarklänge für Indien oder indianische Gesänge in der Wüste Utahs, unterstützen häufig die visuelle Exposition des Ortes.
  70. Die Konnotationen «Wildheit» und «Barbarei», die Trunk dieser Musik beimisst (S. 210), darf sicher als die intendierte Funktion angenommen werden. Ähnlich sind die Bläser und Trommeln bei den Nazis zu verstehen.
  71. Es ist dies eines der wenigen Beispiele, wo diegetische Musik deutliche narrative Funktionen trägt. Man könnte vielleicht noch Cole Porters «Anything Goes», das Willie zum Auftakt von Temple im Nachtclub zum besten gibt, als Motto für den ganzen Film betrachten.
  72. Die Musik, die in der Szene verwendet wird, wo ein Thug Indy in seinem Zimmer angreift, erinnert stark an Hitchcocks Duschszene in <i>Psycho</i>. Nervöse, schrille Geigentöne untermalen die lebensbedrohliche Situation.
  73. «Dieser verbreitete terminus technicus für einen extremen akustischen Nachvollzug von sichtbaren Bewegungen verweist auf Disneys Animationsfilme als Paradigma dieses Musiksystems (…)» (Siegrist, S. 265).
  74. Siegrist, S. 97.
  75. Realistischerweise hätte das Geräusch schon vorher hörbar sein müssen.
  76. Siegrist, S. 97. Dort finden sich auch weitere Beispiele für diesen Idiomatisierungsprozess.
  77. Das nicht zu unterschätzende Problem der Synchronisierung entfällt hier, da von allen drei Filmen englische Originalfassungen vorlagen.
  78. Siegrist, S. 117.
  79. Korrekterweise müsste man von «received pronounciation» sprechen.
  80. Konventionalisiert wurde der Gebrauch der «split screen» bei Telefongesprächen, in denen dann die beiden Gesprächspartner jeweils auf einer Bildhälfte zu sehen sind.